kont.akt - Theaterlabor zu zentralen Fragen unserer Gesellschaft
Das Ziel des partizipativen Theaterprojekts "Wovor fürchten wir uns?” war es, verschieden
Personen aus Berlin unabhängig von sozialem Status, Geschlecht, Nationalität und Glaube
einzuladen, miteinander, intergenerativ zu forschen. Die Fragestellungen dieses Forschens
sollten sein: Welche gesellschaftlichen Ängste im Zusammenhang mit Migration, Integration
und politischer Polarisierung bestimmen unser Zusammenleben? Wie gehen wir konstruktiv
mit diesen Ängsten um? Wie gestalten wir gemeinsam eine menschenwürdige und sozial
gerechte Zukunft? Das Theater bietet hierbei den Raum, sich der eigenen Ängste bewusst
zu werden und gemeinsam nach Handlungsoptionen zu suchen.
Das Projekt entstand aus der folgenden Schlussfolgerung: Ausgelöst u.a. durch den großen
Zustrom von Schutzsuchenden nach Deutschland in den Jahren 2015 und 2016
beschleunigte sich in den vergangenen Jahren die Polarisierung, d.h. die Trennung der
Bevölkerung Deutschlands in verschiedene Lager mit gegensätzlichen Ansichten und
politischen Meinungen. Wir sind überzeugt, dass gesellschaftliche Ängste dabei eine
wichtige Rolle spielen und dass das Erforschen und das Bewusstwerden der eigenen
verinnerlichten Ängste ein erster Schritt dazu ist, sie - und damit auch die verhärteten
politischen Lager, - aufzulösen und an einem Mehr an Demokratie und einer offenen,
sozialen gerechten Gesellschaft für alle zu arbeiten.
Darum sollte im Projekt "Wovor fürchten wir uns?” allen Teilnehmer/-innen ermöglicht
werden, in einem wertfreien Raum, unabhängig von politischen Orientierungen spielerisch
Ängste zu benennen und gemeinsam Handlungsmöglichkeiten zu suchen. Durch szenische
Improvisation sollten verinnerlichte, gesellschaftliche Ängste, die im Zusammenhang mit
politischer Fragmentierung, Flucht und Integration entstehen und ihre Auswirkungen (wie
z.B. Verunsicherung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus) auf tägliche Entscheidungen an
konkreten Beispielen sichtbar gemacht werden. Dazu gab es vier Veranstaltungen.
Szene aus dem Theaterworkshop am 09. Februar 2019Tobias Rabanser
Erster Durchgang: Zwei-Tages-Workshop zu: Zusammenleben in Berlin am 24.+25.11.2018
Bei diesem Workshop stellten wir uns die Frage: Wie können wir Zusammenleben in Berlin
gestalten, wenn unterschiedliche Meinungen, unterschiedliche (Migrations)Geschichten, unterschiedliche Religionen aufeinandertreffen? Welche Rolle spielen unsere Ängste dabei?
Von den Teilnehmenden wurde eine Geschichte
ausgewählt, bei der eine junge Frau die Entscheidung treffen muss, einem Obdachlosen,
der vor einem Einkaufszentrum um Geld bettelt, etwas zu geben. Mit den Methoden des Theaters wurden verschiedene Aspekte und Gesichtspunkte erforscht.
Dieser Workshop fand im Caritas Kinder- und Jugendzentrum Steinhaus in Berlin-Lichtenberg statt.
Zweiter Durchgang: Theaterlabor zum Thema Klimawandel am 02.02.2019
Bei diesem Durchgang gingen wir gemeinsam der Frage nach: Du bist überzeugt, dass wir endlich etwas ändern müssen, um die Auswirkungen des Klimawandels so gering wie möglich zu halten? Fragst du dich, warum nicht mehr passiert oder denkst du, dass du selber mehr tun solltest? Möchtest du verstehen, was dich davon abhält, zu handeln? Unter anderem haben wir hier intensiver die Situation erforscht, welche Dynamiken in engeren Beziehungen unsere Entscheidungen nachhaltig zu handeln beeinflussen. Das Labor fand im Theaterhaus Berlin Mitte statt.
Dritter Durchgang: Ein-Tages-Labor zum Thema Vorurteile am 09.02.2019
In diesem Labor setzten wir uns mit dem Thema Vorurteile auseinander, mit inneren Gedanken und Polizisten. Aus verschiedenen Erlebnissen der Teilnehmenden wurde in einem gemeinschaftlichen Prozess eine Situation ausgewählt, in der es um einen Beziehungstreit zwischen zwei Personen mit verschiedenen kulturellen Wurzeln ging und der Frage, wie verinnerlichte Vorurteile oft unbewusst das eigene Verhalten beeinflussen. Das Labor fand im Theaterhaus Berlin Mitte statt.
Vierter Durchgang: Offener Theaterabend zum Thema Vorurteile am 23.02.2019
Bei der Abschlussveranstaltung, einem offenen Theaterabend ging es wieder um das Thema Vorurteile. In diesem offenen Theaterabend gab es keine Schauspieler_innen und kein Publikum. Gemeinsam versuchten wir, mehr über Vorurteile zu verstehen. Vom Publikum wurden drei Geschichten eingebracht und davon eine ausgewählt. In dieser ging es darum, wie verinnerlichte Gedanken und Vorurteile Entscheidungen beeinflussen. Der Theaterabend fand in der Flüchtlingskirche St.Simeon statt.
youngcaritas - Theaterprojekt kont.akt: Offener Theaterabend am 23.02.2019Angela Kroell
Methode: Das Theaterprojekt orientierte sich an den Methoden des "Theaters zum Leben”. Das "Theater zum Leben” wird seit vielen Jahren angewendet und ist eine konstruktive Mischung aus Theaterarbeit und politischer Arbeit. Das "Theater zum Leben" wurde von David Diamond aus dem "Theater der Unterdrückten" von Augusto Boals entwickelt. Es macht systemische Zusammenhänge ersichtlich und richtet dabei den Blick auf das Gemeinwesen mit der zentralen Fragestellung: Was braucht es, um friedlich und respektvoll zusammenzuleben. Bei dieser Methode und in diesen Formaten ging es nicht darum, möglichst einfache Lösungen und Antworten zu finden, sondern Verständnis für systemische Zusammenhänge zu entwickeln und neue Einblicke und Einsichten zu gewinnen.
youngcaritas ist die Plattform der Caritasverbände für das soziale Engagement junger Menschen. Wir fördern Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 30 Jahren, die ihre Ideen einer gerechteren Welt einbringen und auf ihre Weise aktiv werden wollen. Dazu gehören unter anderem auch Theaterprojekte (siehe z.B. LOVE in contact). Mit diesem Projekt unterstützen wir die Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine eigene politische Identität zu finden und diese in ihrem sozialen Umfeld zu verhandeln.
kont.akt wurde von Tobias Rabanser und Laura Söllner geleitet.
Tobias Rabanser ist Friedens-und Konfliktwissenschaftler und in der Leitung von Forumtheater ausgebildet. Seit 4 Jahren leitet er Workshops zu Gewaltprävention, Konflikttransformation und Globales Lernen vor allem mit Jugendlichen. Seit Oktober 2017 ist er für 'youngcaritas' beim Caritasverband für das Erzbistum Berlin angestellt.
Laura Söllner ist Theaterpädagogin in Berlin, Brandenburg und Österreich. Konzeption und Leitung von Workshops für das Jüdische Museum Berlin, Leitung von Stückentwicklungen mit "Theater zum Leben” und Theater-AGs an Grund-, Mittel- und Oberschulen sowie Leitung eigener künstlerischer Projekte als Gründungsmitglied des Vereins VorOrtung e.V. - Kunst und Kultur im Kontext, der durch künstlerische Projekte Raum zur Erprobung neuer Perspektiven schaffen will.
Das Projekt wurde durch den Frauenverein d.Hl. Hedwig gefördert.