All inclusive?
Den Alltag zu verlassen, bedeutet für sie gleichzeitig auch immer, die bekannte Umgebung zu verlassen und damit kommen Fragen auf: Was kann ich dort selbständig schaffen und wobei brauche ich Hilfe? Wer kann mir dabei helfen? Ist in meinem Urlaubsparadies denn wirklich alles so barrierefrei, wie im Prospekt angekündigt? Und wie ist die Situation außerhalb des Hotels, wenn ich die Umgebung erkunde?
Der Comiczeichner Phil Hubbe ist selbst an Multipler Skleorse erkrankt und auf einen Rollstuhl angewiesen.
07:36 Uhr Ganz schön früh wach heute. Es ist schon so warm im Zimmer. Deswegen wahrscheinlich. Erst mal auf die Toilette. Oder lieber wegdrücken und unten im Restaurant vorm Frühstück auf die Behindertentoilette. Auf meiner Toilette komme ich immer so schlecht wieder hoch. Die ist einfach zu niedrig und ohne Griffe geht das eigentlich nur mit Gewalt.
08:28 Uhr Endlich erleichtert. Und hungrig. Aber echt nervig, dass es überhaupt keine Auflistung von Allergenen beim Büffet gibt. Die Hälfte der Sachen hab ich schon von meinem persönlichen Speiseplan gestrichen. Man kann ja nie wissen. Und die halbherzigen Aussagen vom Kellner gestern haben es auch nicht vertrauenswürdiger werden lassen. Na ja, schmecken tut es dafür aber richtig gut.
09:16 Uhr Satt zum Pool. Herrlich. Und jetzt in der Sonne grillen. Und die schönen hohen Liegen schon wieder alle belegt :( - die älteren Hotelgäste schätzen die halt auch. Soll ich mal nachfragen, ob ich die eine dort haben kann? Sieht aus, als ob die die nicht wirklich brauchen … Ist schon peinlich, wo hier doch noch so viele Liegen frei sind. Ach, ich wollte doch heute eh mal an den Strand. Abenteuer Sand.
10:03 Uhr War das ätzend. Hab schon gar keine Lust mehr. Eigentlich ist es hier am Strand doch herrlich, aber meine Laune ist jetzt erst mal im Keller. Wie lang der mich hat warten lassen, das ist echt eine Unverschämtheit. Und alles wegen diesem blöden Tor. Immer diese Spezialwürste. Wieso müssen denn überall so viele Treppen sein? Ist doch auch für Familien mit Kindern total dämlich. Ich muss jetzt sofort ins Wasser mich abkühlen.
16:46 Uhr Jetzt war es doch noch ein herrlicher Tag am und im Meer. Einmal fast umgekippt und wie ein Wal gestrandet, aber das fast Fallen ist ja eh Standard bei mir. Kein großes Ding. Und wenn mir noch die nette Rettungsschwimmerin wieder hochgeholfen hätte, dann wäre ich sogar noch ganz gerne hingefallen … Ach was, was sag ich denn da. So hilflos angeguckt zu werden, da stirbt schon immer wieder ein kleiner Teil von mir. Und dann dieses um Hilfe Winseln. Ich bekomm dann vor lauter unterdrücktem Heulen ja kaum ein Wort raus. Und wenn selbst die netten Menschen, die kommen und nachfragen, wie sie mir helfen können, total hilflos wirken und nicht wissen wie - na ja, bin ja noch mal mit dem Schrecken davongekommen.
21:06 Uhr Eigentlich wollte ich heute Abend doch feiern gehen. Hab ich mir gestern geschworen. Aber ich bin sooooo müde. Und wenn ich unkonzentriert bin, dann wird´s gefährlich. Eine Schwellenicht bemerkt und zack … Außerdem weiß ich ja gar nicht wohin - wenn ich nur wüsste, wie es in dieser Bar ist, von der mir alle erzählen. Die soll ja sehr cool sein … aber vielleicht auch extrem eng und schmal und so viele Leute dort und dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis mich einer aus Versehen anrempelt und umschmeißt. Ach komm, ich geh einfach ins Bett und les noch mein spannendes Buch - morgen ist ja auch noch ein Tag.
Recht auf Teilhabe und Inklusion
2006 wurde von den Vereinten Nationen die UN-Behindertenrechtskonvention verfasst. Darin ist festgehalten worden, dass Menschen mit Behinderung ein Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben haben.
Um dies zu erreichen, müssen Barrieren in Städten, Gebäuden, Transportmitteln und im Internet abgebaut werden, behinderte Menschen müssen selbst bestimmt leben können mit Hilfe von Unterstützung und Assistenz und sie müssen gleichberechtigten Zugang zu Bildung und Arbeit haben, um sich ihren Lebensunterhalt eigenständig verdienen zu können. Um diese Dinge in Deutschland konkret umzusetzen, wurde 2016 das Bundesteilhabegesetz beschlossen. Dadurch haben sich einige Verbesserungen für Menschen mit Behinderung ergeben. Zum Beispiel konnten Menschen, die auf Assistenz angewiesen sind, bisher kaum sparen. Sie durften lediglich 2600 Euro besitzen und mussten damit, selbst wenn sie einen Job haben, eigentlich in Armut leben. Diese Grenze wurde nun auf 27.600 Euro angehoben und soll 2020 auf 50.000 Euro steigen. Das ist zwar schon viel besser, aber auf große Anschaffungen sparen, wie eine eigene Wohnung, können behinderte Menschen damit noch immer nicht.
Außerdem gibt es einige Punkte im Bundesteilhabegesetz, die Menschen mit Behinderung ihrer Selbstbestimmung berauben können. Zum Beispiel kann es sein, dass ein Mensch nicht weiter zu Hause leben darf, weil das Sozialamt ihm sagt, dass es billiger sei, ins Heim zu gehen als eine persönliche Assistenz für zu Hause zu finanzieren